Das Wirtschaftsmagazin brand eins hat eine Ausgabe mit ein paar hervorragende Artikeln zum Thema Führung publiziert. Sie trägt den reisserischen Titel „Scheissjob“ und erläutert warum der Führungsjob heute nicht mehr unbedingt so gesucht wird. Im Folgenden habe ich einige Passagen aus dem Leitartikel zusammenfasst und mit meinen eigenen Gedanken ergänzt. Die Ideen/Anregungen stammen also weitgehend nicht aus meiner Feder sondern sind rausgepickt und kommentiert.
Das Vorwort der Chefredakteurin Gabriele Fischer beginnt köstlich und daher habe ich mir erlaubt dieses 1:1 zu zitieren:
„Es war einmal ziemlich schön, Chef zu sein. Man bekam ein Eckbüro, eine Topfpflanze, eine Gehaltserhöhung und allein des Titels wegen mehr Respekt. Man kannte sein Arbeitsfeld, konnte sich auf seine Erfahrung verlassen, führte mit Anweisungen. Und wenn man sich nicht allzu blöd anstellte, ging es weiter bergauf.
Das ist lange her. Heute bedeutet Führung in immer mehr Unternehmen: weniger Privilegien, dafür umso mehr Unwägbarkeiten. Das Team ist selbstbewusst und will überzeugt werden, der Markt ist kaum noch zu kalkulieren und das Tempo der Veränderung atemberaubend. Es spricht nicht gegen junge Menschen, wenn sie auf diesen Job immer weniger Lust haben.
Dazu kommt, dass gerade in jungen Organisationen die Zweifel am Sinn von Führung wachsen. Braucht man in Zeiten, in denen eine Firma nur überlebt, wenn jeder Einzelne mitdenkt, Verantwortung übernimmt und die gemeinsame Unternehmung vorantreibt, wirklich noch einen, der vorgesetzt ist? Führt sich das Team von heute nicht am besten selbst?“
Natürlich zuckt es mich beim Durchlesen mit den Gedanken „Moment…“, „Nein, aber…“, „Was?“, usw. – aber ja es hat etwas. Vielleicht ist Führung ja tatsächlich gar nicht mehr so erstrebenswert wie uns dies Mal gelehrt wurde? Und fehlt es uns darum vielleicht an qualifiziertem Führungsnachwuchs? Oder braucht es Führungspersonen sogar tatsächlich in unserer Wissensgesellschaft weniger und in Zukunft vielleicht gar nicht mehr?
Gar nicht mehr glaube ich nicht. Andere, glaube ich hingegen schon. An Organisationen, welche sich selber führen glaube ich nicht – nach meinen Erfahrungen braucht es überall dort wo verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, Interessen, Zielen und Werten zusammenfinden jemand der entscheidet. Dieser Jemand weiss es nicht unbedingt (oder vielleicht gar nicht) besser – aber entscheidet. Ich glaube sehr wohl an die agilen Vorgehensmodelle und an selbstorganisierte Teams, doch wenn es um die Unternehmensführung geht, bleibe ich dabei, dass es ohne Führungspersonen nicht geht. Und selbst nachdem man eine Vision, eine Mission und gemeinsame Ziele und Werte definiert hat, wird es immer wieder unterschiedliche Meinungen und Interessen geben – und das ist per se auch Mal gut so (man wäre das sonst langweilig…).
Wolf Lotter, der Autor des Leitartikels, schreibt, dass der Aufstieg der Konsumgesellschaft vom Unternehmer- zum Managerkapitalismus geführt hat – quasi zu einer sozialen Angleichung von Fabrikherr und Arbeiter. Die alten Hackordnungen lösten sich auf und mit ihr die sichtbaren Attribute der Macht. Und weil die Äusserlichkeiten verschwinden und Hierarchien flacher werden, meinen viele, dass damit auch die Führung an Bedeutung verloren hat. Man braucht sie nicht mehr, weil sie sich nicht mehr so sichtbar macht wie früher. Das ist allerdings ein Missverständnis, das auf einer weiteren Gleichsetzung beruht – der von Hierarchie und Führung. Oben war immer vorn. Heute sei Führung zu einem Auftrag, einem Job, den es zu erledigen gilt geworden. Jedoch ist die frühere Allmacht vergangen. Der Chef wurde immer mehr zum Primus inter Pares – zu dem der den Auftrag bekommen hat aus der Arbeit und den Fähigkeiten der Mitarbeitenden das Beste zu machen.
Früher galt auch vermehrt der Befehlston. Oben (immer im Sinne der disziplinarischen Hierarchie) wurde gedacht und unten wurde gemacht. Mit der heute verbreiteten Wissensarbeit hat sich dies jedoch geändert. Oben sind nicht mehr die Spezialisten und Experten sondern die, welche die Fähigkeiten und Talente anderer organisieren.
Um was geht es denn bei der Führung? Es geht darum zu entscheiden wann der Kurs gehalten werden soll und wann nicht, diesen entschlossen zu verändern – dies vor allem dann wenn andere nicht mehr weiterwissen.
Klar, es gibt immer noch viele Leute gibt, welche froh sind in festen Strukturen mit einem klar definierten Rahmen zu arbeiten. Sie wollen klare Anweisungen und definierte Aufgaben, welche man abarbeiten kann. Doch auch diese Leute leben davon, dass sich Organisationen erneuern. Die Führung darf somit nicht nur aus Bürokraten bestehen, sondern auch aus Unternehmern, die ausserhalb der Routinen den Laden am Laufen halten – und auch Mal was ausprobieren und Risiken eingehen. Gerade die Wissensgesellschaft lässt sich nicht mehr mechanisch regieren, planen und organisieren, sondern braucht Führungskräfte welche sich auf Dynamik und Veränderung einlassen, statt diese abzuwehren.
Führung bedeutet eben zunehmend nicht mehr die Arbeit anderer Leute zu organisieren, da der Wissensarbeiter ohnehin auf seinem Gebiet selbst entscheiden kann.
Führen bedeutet die Organisation von Zusammenarbeit, das Sichern der Zukunft, das Senken der Transaktionskosten (Kosten welche durch Reibung und Ineffizienz entstehen) und bei Ziel- und Wertkonflikten Entscheidungen zu treffen. Das Allerwichtigste ist heute jedoch die Menschenführung: die Richtigen finden, ihnen vertrauen, sie herausfordern, viel mit ihnen reden, sie fair bezahlen und aus dem Weg gehen! Dafür muss man Menschen mögen.
Andere Artikel zeigen Beispiele, in welchen der Chef bei langer Abwesenheit nicht vermisst wurde. Was ein Hinweis dafür wäre, dass ein System auch führungslos ganz gut funktioniert – trotzdem oder sogar deswegen? Ist das System als Gesamtes somit schlauer als die, die es am Laufen halten sollten? Braucht es den Chef also trotzdem nicht?
Denkfehler ist dabei die Verwechslung von Management und Führung, die Vermengung von Verwaltung und Unternehmertum. Na ja wieder die alte Diskussion vom Managen vs. Führen, wo ich so gar nicht Malik’s Meinung vertrete. Ich sehe deutliche Unterschiede:
Management (Manager) |
Führung (Leader) |
Verwalten |
Gestalten und Erneuern |
Ausführen |
Entscheiden |
Kopieren |
Erfinden |
Konzentration auf Systeme und Strukturen |
Konzentration auf Menschen und ihre Fähigkeiten |
Wie und Wann? |
Was und warum? |
Akzeptiert den Status Quo und festigt diesen |
Fordert den Status Quo heraus |
Dinge richtig machen |
Die richtige Dinge machen |
Entmutigen |
Inspirieren |
Nimmt Kredit |
Gibt Kredit |
Reaktiv |
Proaktiv |
Macht Regeln |
Bricht Regeln (aber bewusst und nicht immer ;-)) |
Minimiert Risiken |
Nimmt Risiken |
Will Resultate |
Will Erfolge |
Glaubt an den Kopf |
Glaubt ans Herz |
Kontrollierend |
Leidenschaftlich |
Autoritär |
Charismatisch |
Plant Details |
Setzt Richtungen |
Verortet Kultur |
Gestaltet Kultur |
Wichtig ist dabei die Unterschiede zu sehen. Es geht nicht um gut oder schlecht. Es geht auch nicht darum den Manager klein zu machen oder abzuschaffen. Nein um Himmels willen, es braucht unbedingt Manager! Durch die immer mehr selbstorganisierte Wissensarbeit vielleicht weniger. Doch Manager alleine reichen nicht – es braucht eben auch Leaders.
Schau dir die Unterschiede Mal an. Zu welchem Extrem tendiere ich? Will ich in Zukunft eventuell andere Akzente setzen? Braucht es in deinem Umfeld vermehrt Leadership statt nur Management? Möchte ich gerne anders wahrgenommen werden?
Als nächstes nimmt der Leitartikel Begrifflichkeiten aus dem Bergsteigen (gefällt mir natürlich besonders :-)) als Analogie und skizziert den Führungsjob als eben „Scheissjob“.
Früher sei der Gipfelsturm für viele das Ziel einer Karriere gewesen. In gewissen Organisationen ist dies sogar die Voraussetzung, um dabei zu bleiben – ich mag mich noch gut an die Accenture-Zeit erinnern. Nebst Sozialprestige ging es um Anerkennung, und um den Weitblick, der sich von ganz oben bietet. Heute herrsche jedoch in diesen Höhen Sauerstoffmangel – es sei eine geistige Todeszone in der es keine kreative Führung mehr gäbe. Schön sei es deswegen doch auch im Basislager – dort agiert man in der Regel freier als in der umfassenden Führungsverantwortung.
Weiter oben herrsche Bürokratie, Routine, Leerzeiten, sinnlose Sitzungen und alles Mögliche anstatt Sachen für die man aufsteigen wollte – nämlich um etwas zu entscheiden oder zum Guten zu verändern.
Und Nachwuchskräfte erkennen an ihren Vorgesetzten, was sie oben erwartet: das Fegefeuer der Führungskraft, die Compliance – das Ende der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Eine Führungsriege voller Bürokraten des Kapitalismus und keine Anführer.
Und daher entstehe die doppelte Frustration: Im Alltag die Bürokratie und im sozialen Umfeld schwindet Anerkennung und Respekt. Wie reizvoll ist da der Aufstieg noch? Doch gerade deshalb braucht es den Leader. Führung bedeutet nämlich nicht zum Spielball eines Systems zu werden und zum Getriebenen zu werden, sondern die Richtung selbst zu entscheiden.
Mit der Todeszone würde ich die Arbeit oben nicht vergleichen, doch ich finde es ok, dass auch Mal die negativen Seiten des Führungsjobs etwas beleuchtet werden. Es ist dort oben definitiv nicht nur erholsam und es gilt sich sehr wohl Gedanken zum eigenen Führungsstil und möglichen Anpassungen durch die kulturellen Veränderungen in der Arbeitswelt zu machen!
Führen ein Scheissjob – ich finde nicht. Doch führen ist definitiv kein einfacher Job – es braucht viel Energie und man muss konstant an sich arbeiten. Keep on going 😉
Gerne teile ich meine Erfahrungen zum Thema Leadership in Form von Gesprächen, Workshops, Referaten oder auch einfach einem spannenden Austausch. Ein paar Prinzipien und Erfolgsmethoden habe ich zudem kurz und knapp in einer Themenserie zum Thema Führung zusammengestellt.